Das Magazin

Können Sie mir das mal buchstabieren? Siegfried, Cäsar, Heinrich, Richard, Ida … ist ein Magazin über Schrift, das Schreiben und das Geschriebene, oder auch: ESCEHAERIEFTE – Zeitschrift für alphabete Kultur.

»ESCEHAERIEFTE« bringt Schrift als Lebensmittel und Weltprojekt ins Gespräch, als Kunstobjekt und Kulturgut, stellt dabei den Alphabetismus auch mal in Frage oder auf den Kopf und stromert neugierig an den Grenzen der alphabeten Welt entlang. Wir forschen nach Wortsuppen, Klang‑, Kunst‑ und Körperschriften, flanieren zwischen Zeitschriften und Schriftstellern, wagen den Spagat zwischen Heiliger Schrift und Vereinfachter Ausgangsschrift und nicht zuletzt den Versuch, Alltagsgegenstände von Schrift zu befreien. Ein bereits vor einiger Zeit durchgeführtes Experiment, ganze Räume schriftfrei zu gestalten, artete nach lustvollen Anfängen unerwartet in Arbeit aus, denn die Entschrifter entdeckten nach und nach auch Texte auf Türbeschlägen, Heizungsreglern, Teelöffeln … Schrift, das wurde spätestens jetzt klar, ist überall. Schrift ist weltumspannend, analog, digital, kyrillisch, arabisch, chinesisch, in Stein gemeißelt, geprägt, hingeworfen, unlesbar, bedeutungsgeladen ambivalent, ziemlich konkret wie unheimlich beweglich und natürlich äußerst erotisch.

Schrift ist überhaupt alles – zumindest für die Macher dieses Magazins, die bei der Arbeit schnell erkannten, dass allzu coole Professionalität bei der Verwirklichung eines so ambitionierten Projekts eher hinderlich sein kann und sie besser daran tun, ihre Lust am Abenteuer neu zu entdecken. So entstand dieses Magazin aus dem offenen Dialog der Teilnehmer an der Initiative »Zeitschrift machen« der Typographischen Gesellschaft München. Kollektiv, leidenschaftlich, ungeschützt und mitunter streitbar, aber immer mit Blick darauf, Schrift in all ihren Dimensionen erfahrbar werden zu lassen. Für diejenigen, die wirklich genau hinschauen wollen: In den typografischen Ameisenstraßen zwischen den Textspalten, von Fachleuten »Kolumnenlinien« genannt, erzählen die Zeitschriften-Macher etwas über ihre ganz persönlichen Erfahrungen.

Ein hochgestecktes Ziel also – und das in einer Zeit, in der andere Magazine buchstäblich ihren Geist aufgeben. Ist das nicht eigentlich ein wahnwitziges Unterfangen? Ganz und gar nicht, ist unsere Antwort, denn nicht nur die häufig spontane Bereitschaft der Partner wie Druckerei und Papierfabrik, dieses Projekt solidarisch zu unterstützen, nicht nur der Gehalt, sondern auch der Entstehungs­prozess dieses Magazins haben für uns Modellcharakter, für neue, offene Denk‑ und Arbeitsprozesse und eine neue Lust an Tauchgängen in unerwartete inhaltliche Tiefen. Wäre das nicht etwas für die allenthalben herbeigebetete »Zeit nach der Krise«? Oder besser noch, eine Form, der Krise zu begegnen? Und worin ließe sich all das wohl besser verbinden, als in der Schrift, die uns so nahe ist, so selbstverständlich erscheint und doch so viel unvermutetes Potenzial in sich birgt?

»Kann ich das bitte schriftlich haben?« … das gesprochene Wort, den flüchtigen Gedanken festhalten, verbindlich machen, durch Abstraktion dem Inhalt Ausdruck und Glaubwürdigkeit verleihen. Schrift ist zwischen uns, verbindet, neigt sich zu. Schrift ist unsere Leidenschaft.

Boris Kochan und Horst Moser
und das Team »Zeitschrift machen«
der Typographischen Gesellschaft München